Wegen technischer Probleme in Rom hinke ich immer noch etwas hinter her mit der Übertragung meines Tagebuches.
Nachtrag 5.April 2013
Heute steht der Vatikan auf dem Programm, obwohl er vor 40 Jahren in meinem damaligen Tagebuch keine große Rolle gespielt hatte. Damals waren Melanie und ich ohne Plan durch irgendwelche Gassen geirrt, bis wir auf dem Platz mit dem Obelisken standen. Für uns war das eine beliebige alte Tempelanlage.
Auf dem ganzen Platz waren wir so ziemlich die Einzigen gewesen, anbei ein Holzkarren mit Ansichtskarten. Anhand der Fotos hatten wir dann registriert, wo wir wirklich gelandet waren.
Ich hatte mir damals den Vatikan viel größer vorgestellt. Die St.Peter Basilica ist auch höchstens vier Stockwerke hoch.
Heute kann man sich ganz sicher über die Bestimmung des Platzes und der umstehenden Gebäude sein, es stehen einfach zu viele Menschen herum. Darunter viele schwarz-gekleidete Nonnen.
Eigentlich wollten wir mit dem beliebten 40-ger Bus hinfahren. Diese Buslinie ist wirklich sehr beliebt, denn der Bus kommt schon proppenvoll an und öffnet nur die Ausstiegstür. Macht aber nichts, denn die Linie frequentiert alle 2 Minuten die Via Nazionale.
Der nächste Bus ist noch voller, gegen alle Fenster sind Gesichter gepresst.
Der Bus zwei Minuten später ist noch voller, hier liegen Passagiere schon waagerecht auf den Schultern der stehenden Fahrgäste. Erboste Italiener klopfen gegen die Frontscheibe, was natürlich nichts bringt. Außer einem Schwall italienischer Redensarten, die der Busfahrer zum Besten gibt. Mütter halten ihren Kindern die Ohren zu.
Ich schaue auf meinen Camcorder und auf mein fettes Stativ und schüttele den Kopf. Aber dann habe ich die clevere Idee! Wir steigen einfach in der Gegenrichtung ein, dort ist der Bus fast leer. Und siehe da, der Bus fährt nur zwei Haltestellen, dann ist am Termini die Wendestation erreicht.
Aber leider, leider soll gerade dieser Bus in den Depot einfahren, der Fahrer erklärt meiner Gattin höflich aber bestimmt, dass wir alle drei aussteigen müssen: ich, das Stativ und die Gattin. Jetzt könnte man ja in den nächsten 40-Bus in der Haltebox einsteigen, aber der ist bereits randvoll mit Pendlern, die in langen Schlangen aus dem Bahnhof gestürzt kommen. Rom hat eindeutig eine METRO-Linie zu wenig.
Und damit habe ich das Geheimnis der Spanischen Treppe gelöst! Warum ich Tage zuvor dort nichts wiedererkannt habe!
Vor 40 Jahren gab es noch gar keine METRO-Strecke in die Richtung! Melanie und ich mussten damals wohl eine Straßenbahn genommen haben! Ob es die Linie noch gibt?
Auf den 40-ger Bus haben wir verzichtet und sind wieder am Tiber bis zum Castel Sant'Angelo entlang gegangen. Eigentlich kann man fast alles in Rom zu Fuß erreichen.
Vor dem Vatikan steht ein Schild mit der geschätzten Wartezeit für einen Besuch im Petersdom. Ab hier braucht die Schlange noch drei Stunden und dreißig Minuten!
Während ich entsetzt das Schild zu verstehen versuche, flüstert mich ein unscheinbarer Mann von der Seite an.
Skip the Line!
Nach und nach kann die Gattin übersetzen. Sein Schwager ist Koch.
Ein vernünftiger Beruf, lasse ich die Gattin ins Italienische übertragen.
Ja, gewiss. Er arbeitet in einer Großküche.
Vielleicht etwas eintönig, sagt die Gattin mitfühlend.
Es sei die Küche im Vatikan!
Oh, da muss sich der Schwager ja mit allen Fastentagen gut auskennen, übersetzt die Gattin. 44 Tage im Jahr nur Fisch!
Das interessiert den Skip-the-line-Mann jetzt weniger. Er ist mehr daran interessiert, uns mit seinem Schwager bekannt zu machen. Für 40.-Euro pro Nase.
Wir würden also 80.-Euro nur dafür zahlen, seinen Schwager während der Arbeit im Vatikan kennen zu lernen?, lasse ich übersetzen. Er mag ja ein interessanter Mann sein, aber soviel würde ich nicht einmal für Dieter Bohlen ausgeben. Für Claudia Schiffer vielleicht. Aber die gilt als extrem vegetarisch und arbeitet bestimmt nicht in der Küche vom Papst!
Der unscheinbare Mann wendet sich genervt ab und schaut sich nach anderen Touristen um, die sich für die italienische Küche im Allgemeinen und für die päpstliche Küche im speziellen interessieren.
Da hat er schon ein älteres Ehepaar an der Angel. Im Schatten des Säulenganges wechseln ein paar Scheine den Besitzer.
Wir folgen natürlich unauffällig.
Tatsächlich, nach einem großen Bogen geht es hintenherum hinein in einen Lieferanten-Eingang.
Soweit so gut, aber wissen wir, ob dieses ältere Ehepaar Abends auch wieder in ihrem Hotelbett liegen wird?
Oder eher in irgendwelchen Katakomben unterm Sankt Peter? Da soll es ja Geheimgänge geben bis hin zum Castel Sant'Angelo!
Wir laufen weiter durch die Gassen, essen lecker in einem sauberen Straßenlokal und landen mal wieder im Caffé Greco an der Spanischen Treppe.
Als ich oberhalb der Treppe noch einmal nach dem damaligen Weg suche, löse ich ein weiteres römisches Rätsel:
die ausgeklügelte Logistik der libanesischen Straßenhändler. In einer Seitengasse stehen haufenweise angerostete Ape Piaggios. Alle beladen mit Regenschirmen, Kopftüchern und Sonnenbrillen. Natürlich rund um die Uhr bewacht von Libanesen!
Wahrscheinlich ist das der Grund, warum Touristen bei den Römern so unbeliebt sind: ohne Touristen keine Straßenhändler! Ohne Touristen keine überfüllten Bürgersteige, keine Koffer allerorten über die der Römer ständig stolpert, keine explodierende Preise in den Straßencafés!
Auf dem Rückweg durch die Via Vittorio Veneto stoßen wir auf das Hard Rock Café. Sofort muss die Gattin entsprechende T-Shirts für die Tochter und den Neffen kaufen. Das Bier hier hat astronomische Preise, dagegen gilt ein Bier auf dem Oktoberfest als Schnäppchen!
Bleibe mir gewogen,
Klaus
begleitendes Tagebuch zum Film ICH AN MICH. The MAKING OF.
und mehr Fotos:
ICHANMICH.blogspot.com
http://www.youtube.com/user/Klauswib/videos
http://www.ich-an-mich.de/
Klauswitte - 8. Apr, 15:33